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HERBARIUM TEIL II

Foto © DEW21
Ausstellungsansicht „DEW21 Kunstpreis 2018„, Herbarium (II) #07 & Herbarium (II) #05 (v.l.n.r.)“


Die 1989 in Recklinghausen geborene Künstlerin Beatrice Richter beendete 2018 ihr Studium der Freien Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschülerin von Prof. Herbert Brandl. Sie lebt und arbeitet in Düsseldorf.
Das in der 73. Internationalen Bergischen Kunstausstellung gezeigte Herbarium II ist die zweite Serie aus dem gleichnamigen Zyklus der Künstlerin.
Kleinste organische Teilchen, wie etwa Samen, Sporen oder Pollen, flimmern jede Sekunde in der Luft, losgelöst von ihrem Ursprung auf der Reise zu ihrer Umwandlung. Gerade im Vorbeifliegen, in jenem Augenblick, als die Schwerkraft noch nicht einzusetzen scheint, bleiben sie ganz im Moment ihrer eingefrorenen Potenzialität stehen. Im Herbarium II löst Beatrice Richter die Figurativität des Organischen stärker auf als in anderen Werken und erreicht im Entwerfen mit Tusche und Graphit eine beinahe atmosphärisch-duftende Wirkung mit einem klaren Ausdruck.
Ein zartes Passepartout und ein Holzrahmen fokussieren das Bildfeld auf einen ausgewählten Abschnitt und inszenieren dabei den eingefroren Bildmoment als einen, der eingefangen ist. Nun entsteht eine Doppelung, die sich in der Malerei aufhebt: statt das Bildgeschehen zu erstarren, legt sie beim nahen Betrachten ein warmes Wirbeln organischer Formationen frei.
Bemerkenswert ist, dass die Künstlerin das Passepartout mit ovalem Ausschnitt nicht etwa wie üblich von oben aufsetzt, sondern von hinten auf das Glas mit Farbe aufträgt. Dieses szenische Umkehren entspringt ihrer intuitiven Geste und lässt den Betrachter über den eingefangenen Bildmoment imaginieren.
Die Zeitlichkeit einer Pflanze, die bei einem Herbarium nostalgisch-dokumentierend konserviert wird, bleibt hier undefiniert und trägt eher einen prozessualen Charakter. Die vielfältigen rätselhaften Formen von Herbarium II entfalten sich jedoch erst endgültig in unserer Imagination, und so wird ihre Sinnlichkeit zu einem Standbild in unserer Erinnerung fixiert.“

Anna Pomyalova, Kuratorin

BEATRICE RICHTER : MORTALITAS

Foto © Kathrin Edwards
Ausstellungsansicht kunstpreis junger westen 2019 – Malerei, Kunsthalle Recklinghausen, 2019

“ Oberflächlich betrachtet könnte man die Arbeiten von Beatrice Richter für botanische Studien oder altmeisterliche Vanitas-Stillleben halten. Und das hat durchaus eine partielle Berechtigung, denn die historischen Vorbilder schwingen mit im Werk der 1989 in Recklinghausen geborenen Künstlerin – nicht zuletzt im Ausstellungstitel Mortalitas. Jedoch würde eine Eingrenzung lediglich auf diesen Aspekt einer Einordnung dem Gesamten nicht gerecht: Es geht ebenso um Zeit, Irritation und um das Hinterfragen der eigenen Wahrnehmung.
In jedem einzelnen Werk unternimmt die Künstlerin den Versuch, den Prozesscharakter ihrer Arbeit zu konservieren – was ja eigentlich ein Widerspruch in sich ist. Darüber hinaus zielt sie darauf, genau den schmalen Grat zwischen den Kategorien „Figurativ“ und „Abstrakt“ einzufangen und so die botanisch-zoologisch anmutenden Gebilde in einem Moment zwischen Schwerkraft und Schwerelosigkeit ins Bild zu bannen.

Der Betrachter kommt als externe Kraft dazu, indem er automatisch versucht, in den abstrakten Gebilden konkrete, seiner Wahrnehmung bekannte Objekte zu entschlüsseln: Schmetterlinge, Blumen, Gräser, Meerestiere – um nur einige Möglichkeiten zu nennen.
Da diese Festlegung der Formen auf ein konkretes Ding nicht gelingen kann, hat die Auseinandersetzung mit den Arbeiten Richters etwas Ungelöstes, Irritierendes – Betrachter und Werk bleiben somit quasi dauernd im Gespräch.
Mit Collagenpartien und Malmaterialien gewinnen die Arbeiten auf Papier und Holz eine überraschende Tiefe und Schichtwirkung. Die biomorphen Formen bauen sich auf zu einer Art von Kulisse in deren Räumlichkeit man sich bei eingehendem Studium geradezu verlieren kann.
Inzwischen ein Markenzeichen Beatrice Richters sind die in Trompe-l’œil Manier hinter Glas gemalten Passepartouts als Teil der (Künstler-)rahmen zu den großformatigen Blättern der „Herbarium“-Serie. Wiederum eine Überraschung und Irritation in der Blickführung des Betrachters.
Mortalitas, also Sterblichkeit, Sterben, Vergänglichkeit – dies wenigstens ist uns ganz sicher bei allen Unwägbarkeiten. Doch davor kommt – ebenso sicher – das Leben. In seiner ganzen Fülle. Und dazu gehört auch: Die Kunst und der Genuss.“

Julia Ritterskamp, Kuratorin


ENTFALTUNG IM UNERFORSCHTEN

Foto © Thomas Richter
Ausstellungsansicht Rundgang, Kunstakademie Düsseldorf (Abschlusspräsentation)
Arecoideae #10, 2017

„Unbekannte Welten, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat: So könnte sich der Betrachter beim Erfassen der Werke von Beatrice Richter fühlen. Sie führen in einen irrealen Raum, der ebenso geheimnisvoll wie vertraut erscheint.
Von einem entfernten Standpunkt aus blickt der Betrachter durch ein schwarzes Tondo auf organische Formen und emergente Verwachsungen in einer anderen, unberührten naturähnlichen Umgebung, die sich auf dem Papier entwickelt.
Es ist jedoch eine Welt, in die man nicht hineinkommt.
Sie bleibt unnahbar wie ein abgeschlossenes Biotop und zugleich löst sie den Wunsch aus, sie zu erforschen: Vegetative und lebendige Strukturen wachsen auf einem Grund in eine Schwerelosigkeit hinein, in der sich manche Partikel absetzen und in den Raum entfliehen. Im ersten Moment erinnern die Gebilde an Lebensformen aus der Unterwasserwelt, an Strukturen weit entfernter Planeten oder Mikroorganismen in einer Petrischale, die man durch ein Bullauge, ein Fernrohr oder unter dem Mikroskop entdeckt. (…) Voller Bewegung und Dynamik scheinen die Farbfelder mit den filigranen Zeichnungen auf dem Papier zu schweben. Fast wie bei einem Rohrschach-Test, ein sogenannter Tintenklecks, versucht der Betrachter organische Strukturen und Lebewesen in diesen zu erfassen. (…)
Die Farbigkeit der Werke unterstreicht ebenso den Eindruck der Natürlichkeit: Richter verwendet hauptsächlich gedeckte Erdtöne, bricht diese Palette des öfteren mit der Verwendung eines leuchtenden Orange auf, das den Werken ein besonderes Strahlen verleiht.“

Jill Praus, Kuratorin